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Schräge Töne …

Grundvertrauen haben können und Verstanden-werden-Wollen

«Ich war immer in einer Art Panik […]. Am schlimmsten war, dass niemand meine Musik verstand.» [Charlie Parker]

Grundvertrauen in die Welt und Verstanden-werden-Wollen sind Themen, die für jeden Menschen von Bedeutung sind. Im Austausch zwischen Künstler und Publikum muss es eine gewisse Übereinstimmung von Darbietung und Erwartungen der Zuhörer herrschen; nur dann wird die Musik als Ganzes angenommen oder sogar begeistert aufgenommen. Ohne ein Minimum an Übereinstimmung wird die Musik als unangenehm empfunden oder gar offen abgelehnt. Angst oder Panik davor, nicht verstanden zu werden, könnte man dann verstehen als eine subjektiv erlebte Begrenzung der Ausdrucksmöglichkeiten der eigenen intrapsychischen Welt, und dies kann durchaus existenziell bedrohlich wirken.

Hoffnung und Verzweiflung

«Ihr Stil singt von Hoffnung, ihre Botschaft ist Verzweiflung.» [Brian Ferry über Billie Holiday]

In diesem Zitat werden zwei existenzielle Themen miteinander verbunden: Hoffnung und Verzweiflung. Unter einer psychodynamischen Perspektive kann man noch ergänzen, dass sich hier auch ein starke innere Konfliktspannung manifestiert: Trotz eines intensiven Werbens um Zuwendung, Aufmerksamkeit und Wertschätzung, trotz des Gesehen-werden-Wollens, wird beklagt, dass die entgegengebrachte weitreichende Anerkennung, Wertschätzung und Bewunderung nicht oder kaum empfunden wird, also innerlich nicht ankommt. Ein solches Erleben kann sich einstellen, wenn die musikalische Begabung nicht primär schöpferisch, als Ausdruck des Selbst eingesetzt wird, sondern unbewusst als Kompensation für einen Mangel, z.B. als Appell.

Woraus kann die Notwendigkeit für solche Kompensationsversuche entstehen? Wenn ein Kind z.B. singt, weil es sich so bevorzugt emotional ausdrücken kann und Freude am Singen hat, oder weil es gern mit anderen Kindern zusammen singt und diese Art gemeinschaftlichen Erlebens schätzt, ist dies ein Ausdruck seines Selbst. Es kann aber auch mit auffällig schönem Singen Aufmerksamkeit und Zuwendung von anderen, vor allem den Älteren erzielen oder sich singend über ein normales Maß hinaus selbst trösten und versuchen, eine unerträgliche Realität auszublenden, sich in eine eigene Welt zu versetzen oder eine solche gar dauerhaft zu etablieren. Dies wären Kompensationsversuche. Eine angelegte Begabung kann somit – stark abhängig von den Umständen und der Einstellung und Reaktion des Umfeldes – unterschiedliche „Entwicklungsschicksale“ erfahren. Eine Begabung kann sich also zu einer guten emotional-kommunikativen Kompetenz entwickeln und damit zur Gestaltung einer reichhaltigen inneren Repräsentanzenwelt beitragen; oder eine Begabung kann kompensatorisch für ein Übermaß an Selbsttröstung, -beruhigung und -stabilisierung in der Verzweiflung aufgezehrt werden, und würde dann zur Entwicklung einer darauf reduzierten inneren Welt beitragen.

Triangulation und Gruppenbildung

«Jazz ist wahrscheinlich die einzige heute existierende Kunstform, in der es die Freiheit des Individuums ohne den Verlust des Zusammengehörigkeitsgefühls gibt.» [Dave Brubeck]

Der Wechsel von einer solistischen Improvisation zum dyadischen, triadischen, usw. Spiel wird ständig praktiziert und dabei kontinuierlich eingeübt. Ein kooperatives Zusammenspiel wird allen leichter fallen, wenn auch die hierarchischen Abstufungen zwischen Bandleader und den anderen Bandmitgliedern geklärt und allseits akzeptiert wurden, was je nach den Eltern/Kind-Erfahrungen des Einzelnen unproblematisch oder schwierig sein kann. Das persönliche und musikalische Format eines einzelnen Bandmitglieds kann die Anpassungsfähigkeit der anderen Kollegen überstrapazieren und – statt integrierend und stärkend zu wirken – die Band auseinanderbrechen lassen:

«Ein paar meiner Musiker drohten, dass sie die Band verlassen würden, wenn ich den Verrückten mitnähme.» [Teddy Hill über Dizzy Gillespie]

So kann auch ein Psychoanalytiker, der seinen Analysanden kognitiv und/oder emotional überfordert, einen Therapieabbruch provozieren.